Wie eine Betroffene dagegen ankämpft und was wirklich hilft
Fibromyalgie ist eine heimtückische Krankheit unter der knapp drei Millionen Deutsche leiden – überwiegend Frauen. Die Ursache des Faser-Muskel-Schmerzes ist unklar, die Krankheit ist unheilbar.
Betroffenen bleibt nur eines übrig: Die Symptome bekämpfen. Und von denen gibt es mehr als genug: Erkrankte klagen von Muskel- und Gelenkschmerzen, geschwollenen Gliedern und allgemeiner Druckschmerzempfindlichkeit bis hin zu Antriebslosigkeit, Schlafstörungen und Depressionen.
Als Dora Wagner die Symptome bei sich feststellte, war sie gerade einmal 40 Jahre alt. Damals, 1978, hatte Dora eine Bandscheiben-OP. “Die hat vermutlich den Schmerz ausgelöst. Der hat sich dann verselbstständigt”, erzählt die heute 77-Jährige. Zu dem Zeitpunkt war das Krankheitsbild der Fibromyalgie noch weitestgehend unbekannt.
Dora suchte Hilfe bei den verschiedensten Ärzten. Einige Hausärzte vermuteten hinter ihren Schmerzen Psychosomatik, andere wiederum tippten auf Rheuma.Eine eindeutige Diagnose konnte kein Arzt feststellen, denn die anfänglichen Befunde sind meist unspezifisch. “Ich war oft müde und antriebslos”, erinnert sich Dora, “Dann kamen die Rücken- und Nackenschmerzen dazu.” Röntgenbilder und Laborwerte geben bei diesen Symptomen keinen eindeutigen Aufschluss, eine Diagnose kann nicht von vorne herein sicher gestellt werden.
Für Dora begannen Jahre der Ungewissheit: Was steckt hinter diesen Beschwerden? Wo liegt ihre Ursache? Warum kann keiner helfen? Jahrelang ging sie zu Spezialisten, wurde zu Orthopäden verwiesen. Einige Ärzte und sogar Freunde und Bekannte hatten wenig Verständnis für Doras Leiden. “Man sieht es einem ja nicht an”, erzählt Dora, “Als ich mal den Knöchel verstaucht hatte, waren alle für mich da, haben sich gesorgt. Das sieht schließlich. Aber Fibromyalgie? Dafür gibt es keine Beweise.”
Dora war verzweifelt. 1999 verwies ein Arzt sie in eine Rheumaklinik. Erst dort wurde die Diagnose gestellt: “Sie haben kein Rheuma. Das ist Fibromyalgie.” Dora erkundigte sich über die Krankheit. Sie gründete sogar selbst eine Selbsthilfegrupe für Betroffene, die erste ihrer Art in Sachsen-Anhalt. Heute arbeitet die 77-jährige noch als Gruppensprecherin einer kleinen Selbsthilfegruppe für Fibromyalgie-Erkrankte in Schönebeck, nahe Magdeburg.“Es ist wichtig, dass Betroffene miteinander sprechen, sich austauschen und vor allem: aktiv werden!”
Dora musste mit 50 Jahren in Frührente gehen. Die gelernte Krankenschwester leidet auch an Hüftarthrose, seit ihrer Jugend an Asthma und hatte zeitweise Brustkrebs, den sie inzwischen überstanden hat. “Viele Frauen, die an Fibromyalgie leiden, leiden auch unter anderen Krankheiten”, weiß Dora. Inwiefern der Faser-Muskel-Schmerz mit anderen Krankheiten zusammenhängt, ist noch nicht geklärt. Eine Krankheit, die man nicht sehen kann, ist nur schwer zu erforschen.
Dora ist keine Frau, die sich ihre Lebensqualität von Krankheiten verderben lässt. Wöchentlich hilft sie ihrem Sohn in seiner Tierarztpraxis als Sprechstundenhilfe aus. “Du musst als Betroffene etwas tun! Ob es jetzt was Kulturelles ist, in ein Konzert gehen oder dich mit Freunden treffen”, rät die rüstige Rentnerin. Sonst frisst die Krankheit einen auf. “Psychisch ist es ganz schlimm. Dein Leben leidet darunter.” Dora entschloss sich, eine Psychotherapeutin zu kontaktieren. “Das würde ich jedem Betroffenen raten,” empfiehlt Dora. Sie schwört auf Ablenkung und so viel Aktivität, wie es einem nur möglich ist.
Einfach ist die Umsetzung bei weitem nicht. Fibromyalgie ist eine chronische Krankheit. An einem Tag fühlt man sich, als könne man Bäume ausreißen, am nächsten Tag kann es sein, dass man sich kaum noch bewegen kann. “Dann muss man sich überwinden”, sagt Dora. Sie ist eine starke Frau. Als bei ihrem Mann Krebs diagnostiziert wurde, kümmerte sie sich bis zu seinem Tod 2007 um ihn. Woher sie die Kraft nahm? “Ich weiß es nicht. Sie ist einfach da.”
Viele Frauen, die an Fibromyalgie leiden, tun sich schwer mit der Krankheit. Dass es keine eindeutige Diagnose gibt, keine klare Ursache, keine Heilungsmethode. Viele verfallen der Krankheit, schließen sich ein, isolieren sich von der Außenwelt, von den Menschen, die sie nicht verstehen können, die sie als Simulanten beschimpfen, ihnen einfach nicht glauben.
Die Symptome versuchen viele Betroffene mit Medikamenten zu betäuben: Schmerzmittel, Anti-Depressiva. Das tückische daran: Die Pillen helfen nur eine begrenzte Zeit, danach lässt die Wirkung nach, sie brauchen stärkere Medikamente. Nicht wenige werden abhänging, weiß Dora. “Ich hatte immer Angst davor, abhängig zu werden. Ich fühlte mich zeitweise wie ein Junkie, als ich Tabletten schluckte”, verrät sie. Das war der Punkt, an dem sich Dora zu einer Psychotherapie entschlossen hat.
Inzwischen hat sie effektive Methoden für sich entdeckt, welche die meisten Medikamente ersetzen können. Jede Woche geht sie zur Akupunktur. “Die hat bei mir gut angeschlagen”, sagt Dora. Hinzu kommt eine regelmäßige Physiotherapeutische Behandlung. Jeden Freitag geht sie zur Wassergymnastik – seit über zehn Jahren. Damit folgt sie dem Rat vieler Experten. Geraten wird zu Massagen, körperlicher Aktivität – etwa Spaziergnge oder Ausdauersport -, sowie Entspannungsübungen wie Meditation, Yoga oder Qigong.
Bis heute kann sich Dora nicht erklären, woher die Krankheit kommt. Sie hat ihr ganzes Leben lang keinen Alkohol getrunken, hat niemals geraucht. Kann Fibromyalgie vererbt werden? “Man weiß es nicht”, sagt die dreifache Großmutter, “Vielleicht ist es eine Veranlagung, vielleicht auch nicht. Für die Erforschung der Krankheit stehen leider nicht viele Gelder zur Verfügung.”